Sally
  Zum nachdenken 1
 

Wie konntest Du nur ??
 
Als ich noch ein Welpe war, unterhielt ich Dich mit meinen Possen und brachte
Dich zum Lachen.
 
Du nanntest mich Dein Kind, und trotz einer Anzahl durchgekauter Schuhe und so
machem abgeschlachteten Sofakissen wurde ich Dein bester Freund.
 
Immer, wenn ich böse war, erhobst Du Deinen Zeigefinger und fragtest mich
 
Wie konntest Du nur?
 
Aber dann gabst Du nach und drehtest mich auf den Rücken, um mir den Bauch zu
kraulen.
 
Mit meiner Stubenreinheit dauerte es ein bisschen länger als erwartet, denn Du
warst furchtbar beschäftigt, aber zusammen bekamen wir das in den Griff.
 
Ich erinnere mich an jene Nächte, in denen ich mich im Bett an Dich kuschelte und
Du mir Deine Geheimnisse und Träume anvertrautest, und ich glaubte, das Leben
könnte schöner nicht sein.
Gemeinsam machten wir lange Spaziergänge im Park, drehten Runden mit dem
Auto, holten uns Eis( ich bekam immer nur die Waffel, denn Eiskrem ist schlecht
für Hunde, sagtest DU), und ich döste stundenlang in der Sonne, während ich auf
Deine abendliche Rückkehr wartete.
 
Allmählich fingst Du
an, mehr Zeit mit Arbeit und Deiner Karriere zu verbringen und auch damit, Dir
einen menschlichen Gefährten zu suchen.
 
Ich wartete geduldig auf Dich, tröstete Dich über Liebeskummer und
Enttäuschungen hinweg, tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen und
überschlug mich vor Freude, wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest.
 
Sie, jetzt Deine Frau, ist kein Hundemensch- trotzdem hieß ich sie in unserem
Heim willkommen, versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr.
 
Ich war glücklich weil Du glücklich warst.
 
Dann kamen die Menschenbabys, und ich teilte Deine Aufregung darüber.
 
Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch und wollte sie genauso
bemuttern.
 
Nur, dass Du und Deine Frau Angst hattet, ich könnte ihnen wehtun, und so
 
verbrachte ich die meiste Zeit verbannt in einem anderen Zimmer oder meiner
Hütte.
 
Oh, wie sehr wollte auch ich sie lieben, aber ich wurde zu einem Gefangenen der
Liebe.
 
Als sie aber größer waren, wurde ich ihr Freund. Sie krallten sich in meinem Fell
fest, zogen sich daran hoch auf wackligen Beinchen, pieksten ihre Finger in meine
Augen, inspizierten meine Ohren und gaben mir Küsse auf die Nase.
 
Ich liebte alles an ihnen und ihre Berührungen denn Deine Berührung war jetzt so
selten geworden.
 
Und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt, wenn es nötig gewesen wäre.
 
Ich kroch heimlich in ihre Betten, hörte ihren Sorgen und Träumen zu, und 
gemeinsam warteten wir auf das Geräusch Deines Wagens in der Auffahrt.
 
Es gab einmal eine Zeit, da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest,
ein Foto von mir aus der Brieftasche und erzähltest Geschichten über mich.
 
In den letzten JAhren hast Du nur noch mit Ja geantwortet und das Thema
gewechselt.
 
Ich hatte mich von Deinem Hund in einen Hund verwandelt, und jede Ausgabe für
mich, wurde Dir ein Dorn im Auge.
 
Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit in einer anderen Stadt und Du und sie
werdet in eine Wohnung ziehen, in der Haustiere nicht gestattet sind.
 
Du hast die richtige Wahl für Deine Familie getroffen, aber es gab einmal eine
Zeit, da war ich Deine einzige Familie.
 
Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir im Tierheim ankamen.
 
Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst, nach Hoffnungslosigkeit.
 
Du fülltest die Formulare aus und sagtest Ich weiß, Sie werden ein gutes Zuhause
für sie finden.
 
Mit einem Achselzucken warfen sie Dir einen gequälten Blick zu.
 
Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in mittleren Jahren erwartet, auch
mit Stammbaum.
 
Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen, als er schrie
Nein, Papa! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!
 
Und ich machte mir Sorgen um ihn und um die Lektionen, die Du ihm gerade
beigebracht hattest,
 
über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung, und über Respekt
vor allem Leben.
 
Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden und
höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet.
 
Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.
 
Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen, Du hättest
wahrscheinlich schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst und
nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden.
 
Sie schüttelten den Kopf und fragten
 
Wie konntest Du nur?.
 
Sie kümmern sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht.
 
Natürlich werden wir gefüttert, aber ich habe meinen Appetit schon vor Tagen
verloren.
Anfangs rannte ich immer vor ans Gitter, sobald jemand an meinen Käfig kam, in
der Hoffnung, das seiest Du- dass Du Deine Meinung geändert hättest- dass all
dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei... oder ich hoffte, dass es zumindest
jemand wäre, der Interesse an mir hätte und mich retten könnte.
 
Als ich einsah, dass ich nichts aufzubieten hatte gegen das vergnügte Um-
Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter Welpen, ahnungslos gegenüber ihrem
Schicksal, zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und wartete.
 
Ich hörte ihre Schritte als sie am Ende des Tages kam, um mich zu holen und
trottete hinter ihr her den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum.
 
Ein angenehm ruhiger Raum.
 
Sie hob mich auf den Tisch und kraulte meine Ohren und sagte mir, es sei alles im
Ordnung.
 
Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde, aber da war
auch ein Gefühl der Erleichterung.
 
Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen.
 
Meiner Natur gemäss war ich aber eher um sie besorgt.
 
Ihre Aufgabe lastete schwer auf ihr, und das fühlte ich, genauso wie ich jede
Deiner Stimmungen erfühlen konnte.
 
Behutsam legte sie den Stauschlauch an meiner Vorderfote an, während eine Träne
über ihre Wange floss.
 
Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten, genauso wie ich Dich vor vielen Jahren
getröstet hatte.
 
Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein. Als ich den Einstich
fühlte und spürte, wie die Flüssigkeit durch meinen Körper lief, wurde ich
schläfrig und legte mich hin, blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte
 
Wie konntest Du nur ?.
 
Vielleicht verstand sie die Hundesprache und sagte deshalb
 
Es tut mir ja so leid
 
Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären, es sei ihre Aufgabe dafür zu
sorgen, dass ich bald an einem besseren Ort wäre, wo ich weder ignoriert noch
missbraucht noch ausgesetzt werden könnte oder auf mich allein gestellt wäre-
einem Ort der Liebe und des Lichts, vollkommen anders als dieser irdische Ort.
 
Und mit meiner letzten Kraft versuchte ich ihr mit meinem Klopfen meines
Schwanzes zu verstehen zu geben, dass mein
 
Wie konntest Du nur?
 
nicht ihr gegolten hatte.
 
Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte. Ich werde für immer an
Dich denken und auf Dich warten.
 
Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.
 

Jim Willis 2001
 Übersetzt aus dem Amerikanischen von Elvira Rösch & Nicole Valentin- Willis

 

 
 
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